Unter dem Titel „Leitungs- und Mineralwasser? Der große Wassertest sorgt für Klarheit in der Frage: Besser aus dem Hahn oder aus der Flasche?“ suggeriert die Stiftung Warentest im Juli-Heft 2019, dass sie Leitungswasser unmittelbar aus dem Hahn mit dem Mineralwasser aus der Flasche in einem validen Test miteinander vergleicht.

Sie kommt bei dem Wassertest zu dem Ergebnis, dass die Qualität von Leitungswasser ebenbürtig oder sogar besser als die von Mineralwasser sei. Der Vergleich basiert auf unterschiedlichen Methoden und Bewertungen.

„Aufgrund der unterschiedlichen Prüfprogramme findet hier eine Irreführung des Verbrauchers statt.“ „Die Stiftung Warentest verstößt bei ihrer Berichterstattung, vor allem in ihrer Pressemitteilung vom 26.06.2019, gegen das in ihrer Satzung enthaltene Prinzip der Objektivität.“ Dies sind zwei Kernergebnisse von Prof. Dr. Bernhard Heidel, Inhaber der Professur für Marketingforschung/Statistik an der Hochschule RheinMain, Wiesbaden Business School, der intensiv die Methoden und Ergebnisse der Stiftung Warentest analysiert hat.

 

Kein valider Wasser-Vergleich: Fehlende sensorische Untersuchung beim Leitungswasser

Die sensorische Bewertung von Mineralwasser spielt mit einem außergewöhnlich hohen Anteil von 50 Prozent an der Gesamtnote eine besonders große Rolle. Eine geschulte Prüfgruppe aus sieben Experten verkostete die anonymisierten natürlichen Mineralwässer und ermittelte das Urteil.

Anhand von nicht nachvollziehbarer Kriterien, wie zum Beispiel dem Mundgefühl. Für den Verbraucher bleibt dabei unklar, wie die sensorische Bewertung im Detail zustande gekommen ist.

Bei dem Leitungswasser wird auf eine sensorische Prüfung vollständig verzichtet, obwohl sechs der 20 getesteten Leitungswässer mit Chlor desinfiziert wurden. Statt auf Geschmack untersucht die Stiftung Warentest Leitungswasser auf Verunreinigungen oberirdischen Ursprungs.

Obwohl 80 Prozent der untersuchten Leitungswässer Spuren davon ausweisen, bescheinigt die Stiftung Warentest allen getesteten Leitungswässern eine hohe Qualität. Zudem verzichtet sie auf eine Schulnotenbewertung.

Kein valider Wasser-Vergleich: Fehlende mikrobiologische Untersuchung beim Leitungswasser

Bei der Untersuchung der mikrobiologischen Qualität von Mineralwasser geht die Stiftung Warentest deutlich über die in der Mineral- und Trinkwasserverordnung (MTVO). Hier wird Mineralwasser faktisch nach den Anforderungen der klinischen Mikrobiologie an medizinische Spezialnahrung für Hochrisikopatienten bewertet. Auf die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen der MTVO wird nicht geachtet.

Bei Leitungswasser hingegen verzichtet die Stiftung Warentest komplett auf eine Untersuchung der mikrobiologischen Qualität mit der Begründung: „Auf Keime untersuchten wir das Wasser nicht, weil eine mögliche Keimbelastung auch von der individuellen Hygiene am Hahn abhängt.“

Stiftung Warentest

Risikofaktoren der „Last Mile“ werden bewusst ausgeklammert

Für die Wasserqualität von der Wasseruhr bis zum Wasserhahn ist der Hauseigentümer verantwortlich. Bei der Probenahme von Leitungswasser durch die Stiftung Warentest wurde das in den Rohrleitungen befindliche Stagnationswasser komplett ablaufen gelassen.

Eine Vorgehensweise, die für Verbraucher in Deutschland vollkommen untypisch ist. Dies geht aus einer repräsentativen Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Kantar TNS hervor. Im Auftrag des Verbands Deutscher Mineralbrunnen (VDM) im August 2019 wurde diese Umfrage durchgeführt.

Diese zeigt, dass 86 Prozent der Menschen in Privathaushalten das Wasser gar nicht ablaufen lassen. Nach dem Ablaufen des Stagnationswassers wird also lediglich die Qualität vor der Wasseruhr untersucht.

Dabei lauern in der Hausinstallation zahlreiche Gefahren. Nach Erkenntnissen des Fraunhofer-Instituts für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik (IGB), stellt das häusliche Leitungssystem – vom IGB auch als „Last Mile“ bezeichnet – ein erhebliches Risiko für die Wasserqualität dar.

Neben dem Stagnationswasser können der Wasserpartikelfilter, die Leitungsqualität, die Wassertemperatur und der Perlator (Wasserdüse am Hahn) die Leitungswasserqualität nachhaltig beeinträchtigen.

Leitungswasser hat für immunschwache Menschen ein deutlich höheres Risiko-Potenzial

Die bei der Stiftung Warentest fehlende mikrobiologische Überprüfung des Leitungswassers wurde im Sommer 2019 im Auftrag des VDM von dem unabhängigen Institut Fresenius (SGS Institut Fresenius, Taunusstein) in 33 Privathaushalten durchgeführt.

Bei der mikrobiologischen Untersuchung auf dem Nährmedium Blutagar kommt die „Leitungswasser Studie 2019“ von SGS Fresenius zu aussagefähigen Ergebnissen. In 56 Prozent der untersuchten Leitungswässer waren Keime im Wasser nachweisbar.

Bei einem Vorlauf von 30 Sekunden reduzierte sich die Anzahl der mit Keimen beaufschlagten Leitungswässer nur gering auf 41 Prozent. Von den 56 Prozent der mit Keimen belasteten Proben weisen über 60 Prozent fakultativ pathogene Keime der Risikostufe 2 nach BioStoffV auf.

Sie können ein Risiko für immungeschwächte Menschen darstellen, also zum Beispiel für Babys, Krebs- und Aidskranke. Selbst nach einem verbraucheruntypischen Wasservorlauf von 30 Sekunden, das entspricht zirka fünf Litern, weisen immer noch 28 Prozent der Proben fakultativ pathogene Keime auf.

Bei den in der „Leitungswasserstudie 2019“ von Fresenius parallel untersuchten 30 Mineralwässern wiesen hingegen nur sieben Prozent der Proben Keime dieser Risikoklasse auf. Somit birgt der hygienische Zustand der endständigen Entnahmearmatur deutlich höhere mikrobiologische Gefahren-Potentiale.

Sebastian Rau, Customer Service Manager vom SGS Institut Fresenius, kommt in der „Leitungswasserstudie 2019“ zu dem Ergebnis, „dass für einen aussagekräftigen Vergleich der Qualität von Leitungswasser und natürlichem Mineralwasser das typische Verhalten der Verbraucher und der Zustand der Hausinstallationen nicht außer Acht gelassen werden darf.

Ohne Berücksichtigung dieser entscheidenden Einflussgrößen entsteht ein unvollständiger und falscher Eindruck von der tatsächlichen Qualität des Wassers am Ort des Verbrauchs.“

Verbraucher erwarten Vergleichbarkeit bei den Prüfverfahren der Stiftung Warentest

Für Verbraucher in Deutschland ist Transparenz und Vergleichbarkeit sehr wichtig. Im August 2019 hat der Dialog Natürliches Mineralwasser eine repräsentative Bevölkerungsumfrage mit dem Markt- und Meinungsforschungsinstitut forsa durchgeführt. Die Mehrheit geht davon aus, dass alle getesteten Produkte auf genau die gleiche Art und Weise getestet wurden (81 Prozent).

Die Bewertungsmaßstäbe objektiv nachprüfbarer Fakten, zum Beispiel Keimbelastung, für Leitungs- und Mineralwasser waren identisch (75 Prozent). Damit die Bewertungen vergleichbar sind und beide nach einem einheitlichen System, zum Beispiel Schulnoten, erfolgten (70 Prozent).

„Für die Mineralbrunnenbetriebe in Deutschland ist es unerträglich, dass die Stiftung Warentest durch wissenschaftlich nicht haltbare Vergleiche die Verbraucher in die Irre führt. Das mag zwar der Erhöhung der Auflage der Zeitschrift zugutekommen, hinterlässt allerdings bei den nahezu ausschließlich familiengeführten Mineralbrunnenbetrieben einen Existenz gefährdenden wirtschaftlichen Schaden“, so Dr. Karl Tack, Vorsitzender des VDM.

Die Berichterstattung der Stiftung Warentest suggeriert eine Vergleichbarkeit, die nicht gegeben ist

„Der Verbraucher geht durch die Berichterstattung im Testheft 7/2019, in der Pressemitteilung vom 26.06.2019 sowie insbesondere durch die Zweit-Berichterstattung in den Medien fälschlicherweise davon aus, dass die Wasserqualität mit der Wasserqualität aus der Flasche verglichen wurde.

Mit dieser Form der Berichterstattung verstößt die Stiftung Warentest gegen das in ihrer Satzung enthaltene Prinzip der Objektivität“, so Prof. Dr. Bernhard Heidel von der Hochschule RheinMain, Wiesbaden Business School. Prof. Heidel hat die Methoden, Ergebnisse und Berichterstattung der Stiftung Warentest im Auftrag des VDM analysiert.